„Hubert Ulrich übt soziale Gewalt aus – wie ein Überfall“


Marita Mayers. Foto: privat

Marita Mayers, eine der beiden Sprecherinnen der saarländischen Grünen-Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Feminismus und Gleichstellung, greift den ehemaligen Landesvorsitzenden Hubert Ulrich in den Saarbrücker Heften scharf an. Die neue, 123. Ausgabe der Saarbrücker Hefte mit der Titelgeschichte „Das System Ulrich – Grüner Sumpf an der Saar“ wird ab Samstag in Buchhandlungen erhältlich sein. Ulrich, der nach der verlorenen Landtagswahl 2017 als Parteichef zurücktrat, praktiziert laut Mayers eine „strukturelle und soziale Gewalt“ in der Partei. Gegenüber den Heften erklärte Mayers, die dem Landesvorstand angehört, Ulrich versuche, „das Verhalten Einzelner und kleiner Gruppen zu beeinflussen und gegen ihren Willen vorzugehen, sie zu überrollen und zu überstimmen“.

„Völlig unübersichtlicher Personenkreis“

Als konkretes Beispiel nennt die Grünen-Politikern aus dem Kreis Merzig-Wadern eine digitale Konferenz der LAG Feminismus und Gleichstellung am 21. Mai, bei der zwei neue Sprecherinnen gewählt werden sollten. Während an den Treffen in der Regel kaum mehr als ein Dutzend Frauen teilnähmen, hätten sich diesmal überraschend mehr als 40 Frauen und Männer beteiligt. Marita Mayers: „Viele kannten wir gar nicht. Weder vom Frauenstammtisch noch von der LAG noch vom Frauenkongress“. Als die TeilnehmerInnen gebeten wurden, sich namentlich zu identifizieren, taten dies laut Mayers nicht alle. Die LAG-Sprecherin gegenüber den Saarbrücker Heften: „Es waren geschätzt höchstens 18 Frauen, die der bisherigen LAG Feminismus zuzuordnen waren. Da der übrige Personenkreis völlig unübersichtlich war und wir auch nicht klären konnten, wer überhaupt Parteimitglied ist, haben wir spontan entschieden, die Wahl der Sprecherinnen zu vertagen.“ Die Stimmung sei „aufgeheizt“ und „schwierig“ gewesen.

Bundesvorstand erwartet Einhaltung des Frauenstatuts

Viele TeilnehmerInnen waren laut Mayers dem „Umfeld von Hubert Ulrich zuzuordnen“. Es sei „wie ein Überfall, eine Invasion“ gewesen. Mayers: „Wir sollten gekapert werden, das war ein richtiges Piratenstück.“ Die LAG-Sprecherin befürchtet, dieses „Machtgebaren“ sei „ein strategischer Vorgeschmack auf das, was uns beim Landesparteitag bevorstehen könnte“. Am kommenden Sonntag, 20. Juni, wählen die Delegierten einen neuen Landesvorstand und entscheiden über die saarländische Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl. Beworben hat sich bereits die amtierende Co-Landesvorsitzende Tina Schöpfer. Ein Sprecher des Bundesvorstandes der Grünen betonte gegenüber den Saarbrücker Heften, die Partei erwarte die Anwendung des Frauenstatuts. Bei der Nominierung des Spitzenkandidaten Markus Tressel vor vier Jahren wurde dies missachtet. Auf Bestrebungen, den „Neuanfang infrage zu stellen“, blicke der Bundesvorstand „mit großer Sorge“. Es gibt Spekulationen, Hubert Ulrich verfolge eigene Ambitionen in Richtung Bundestag.

Saarländische Grüne zahlen nur die Hälfte des durchschnittlichen Mitgliedsbeitrages

Auf Nachfrage der Saarbrücker Hefte nannte der Sprecher der Bundespartei auch erstmals brisante Zahlen über die Finanzierung der Grünen im Saarland. Während Mitglieder auf Bundesebene monatlich im Durchschnitt einen Beitrag von 12,92 € leisten (Stand Dezember 2019), sind es im Kreisverband Saarlouis nur 6,33 €. Auf Landesebene sieht es nicht viel besser aus. Da zahlen Grüne bescheidene 6,89 € im Monat.

Ulrich wird seit Jahrzehnten vorgeworfen, er ködere neue Mitglieder mit dem Versprechen, sie müssten keinen oder nur einen geringen Beitrag zahlen. Mit rund 720 Mitgliedern allein in der Stadt Saarlouis verfüge er damit über eine Machtposition in der Partei, an der niemand vorbeikomme. Eine Anfrage der Saarbrücker Hefte insbesondere zur Mitgliederstruktur in seinem Ortsverband Saarlouis ließ Ulrich unbeantwortet.

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